Aerodynamik beim Radfahren - die Wissenschaft hinter der Geschwindigkeit

Aero is everything! Diese einfache, aber prägnante Radsportweisheit hebt die zentrale Bedeutung von Aerodynamik im Bereich des Radfahrens, insbesondere Zeitfahrens / Triathlons, hervor. Kaum ein anderer Faktor beeinflusst die Geschwindigkeit und den Energieverbrauch so stark wie die Aerodynamik. Wer den Luftwiderstand versteht und gezielt optimiert, kann mit derselben Leistung deutlich schneller fahren – oder bei gleichem Tempo wertvolle Energie sparen. Nicht das Fahrrad, sondern der Fahrer macht den aerodynamischen Unterschied!

Luftwiderstand: Der unsichtbare Gegener

Schematische Darstellung: wie Gegenwind und Luftwiderstand auf einen Radfahrer einwirken

Grafik: Felt Bicycles

Beim Radfahren auf ebener Strecke wirken im Wesentlichen zwei Widerstände: der Rollwiderstand der Reifen und der Luftwiderstand (Reibungsverluste durch Kette, Kugellager, etc. betragen 1-3%). Der Rollwiderstand hängt von Reifen, Druck und Untergrund ab und bleibt nahezu konstant. Der Luftwiderstand hingegen wächst quadratisch mit der Geschwindigkeit. Verdoppelt man also das Tempo, vervierfacht sich der Widerstand – und die nötige Leistung steigt sogar kubisch.

Exkurs Physik: Wie sich der Luftwiderstand verhält

  • Geschwindigkeit: Wenn sich die Geschwindigkeit verdoppelt, vervierfacht sich der Luftwiderstand (2²=4)
  • Auswirkung auf die Leistung: Um diese vierfache Kraft zu überwinden, braucht es ebenfalls eine vierfach höhere Leistung. Da Leistung aber Kraft mal Geschwindigkeit ist, steigt die für die Überwindung des Luftwiderstands benötigte Leistung bei einer Verdopplung der Geschwindigkeit auf das Achtfache an (2³=8).

Beispiel

Für einen Rennradfahrer in sportlicher Sitzposition ergibt sich dabei folgende Leistungsverschiebung (Annahme: Fahrergewicht 70kg + Fahrrad 8Kg):

Ein Rennradfahrer von vorn in Unterlenkerposition

 

Geschwindigkeit ( v ) (m/s) Anteil Luftwiderstand Anteil Rollwiderstand & Reibung Benötigte Leistung
15 km/h 4.17 51% 49% 26W
20 km/h 5.56 65% 35% 50W
25 km/h 6.94 75% 25% 86W
30 km/h 8.33 81% 19% 137W
35 km/h 9.72 85% 15% 206W
40 km/h 11.11 88% 12% 298W
45 km/h 12.5 91% 9% 414W
50 km/h 13.9 92% 8% 557W
Ein Beispiel macht das deutlich: Ein sportlicher Rennradfahrer braucht bei 30 km/h rund 140 Watt, um den Luftwiderstand zu überwinden. Bei 40 km/h sind es schon fast 300 Watt, bei 50 km/h über 500 Watt.
 
Ab etwa 25 km/h stammt also mehr als 70 Prozent des Gesamtwiderstands aus der Luft, ab 40 km/h sogar über 90 Prozent. Alles andere – Rollwiderstand, Lager, Reibung – wird zur Nebensache.

Der Fahrer: 80% des Problems

Oft wird über Aero-Rahmen, Laufräder und Helme gesprochen, doch die Wahrheit ist einfach: Der Mensch selbst ist die größte Windbremse. Rund 75 bis 80 Prozent des gesamten Luftwiderstands entstehen durch den Körper – nur etwa 20 bis 25 Prozent durch das Fahrrad.

Der Grund ist klar: Der menschliche Körper ist aerodynamisch eine Katastrophe. Große Stirnfläche, unregelmäßige Formen, bewegliche Gliedmaßen – die Luft findet überall Angriffspunkte. Deshalb ist die Körperhaltung der effektivste Hebel, um den Luftwiderstand zu senken.

Die Macht der Sitzhaltung

Vergleich zwischen Fahrpostionen auf dem Rennrad. Links: aufrechte Sitzhaltung. Rechts: tiefe Sitzhaltung mit gebeugten Armen.

Die Fahrposition entscheidet mehr über die Aerodynamik als jedes Materialteil.
Eine aufrechte Sitzhaltung mag bequem sein, doch sie vergrößert die Stirnfläche enorm.
Sobald der Oberkörper gesenkt, die Ellenbogen angewinkelt und der Kopf tief gehalten wird, sinkt der Luftwiderstand drastisch.

Windkanaltests zeigen:
Der Wechsel von einer aufrechten Freizeitposition (𝐶dA ~ 0.5) zu einer sportlichen Rennradhaltung (CdA ~ 0,25) halbiert den Luftwiderstand – das entspricht einem Leistungsgewinn von über 100 Watt bei 40 km/h, ganz ohne mehr zu treten.
 
Triathleten und Zeitfahrer gehen noch weiter: In der Aero-Position mit engen Armen und flachem Rücken erreichen sie Werte um 0,22–0,25 m². Das spart auf einer Ironman-Radstrecke mehrere Minuten Fahrzeit.

Die Kennzahl der Geschwindigkeit: der CdA Wert

Triathlet im virtuellen Windkanal beim Aero Fitting

Grafik: Bioracer

CdA steht für Coefficent of Drag Area - ein Wert, der die Aerodynamik des Gesamtsystems aus Fahrer und Fahrrad angibt: Der Widerstandsbeiwert (Cd) multipliziert mit der Stirnfläche (A) und wird in Quadratmetern m² angegeben. Je niedriger der Wert, desto besser die Aerodynamik, weil der Luftwiderstand geringer ist. Die wichtigste Größe ist die Stirnfläche, also die Fläche, die frontal mit dem Wind in Kontakt kommt. Aber auch Form und Oberflächenbeschaffenheit spielen eine Rolle.

Typische Cd​A-Werte Position/Fahrertyp
0,4 - 0,5 m² Aufrechtes Fahren, Hände auf dem Oberlenker (hoher Widerstand)
0,30 - 0,35 Normale, sportliche Rennrad-Position am Unterlenker/Bremsgriffen (gutes Verbesserungspotenzial)
0,25 - 0,30 m² Gute, sportliche Aero-Position auf einem Standard-Rennrad
0,22 - 0,25 m² Sehr gute, optimierte Zeitfahr- oder Triathlon-Position
0,20 - 0,22 m² Weltklasse-Werte für Zeitfahrer und Profis (Optimum mit Aero-Anpassungen)

 

Um die Stirnfläche zu verringern, können verschiedene Veränderungen der Fahrposition helfen:

  • Unterlenkergriff / Arme einbeugen
  • Kopf senken
  • Lenker insgesamt tiefer setzen am Gebelschaft
  • schmalerer Lenker
  • Aerobars / Triathlonaufsatz am Rennrad

ABER: Aerodynamik darf nicht auf Kosten der Nachhaltigkeit gehen. Eine zu aggressive Position kann Atmung und Kraftübertragung beeinträchtigen. Ziel ist ein Kompromiss: "So tief wie nötig, so bequem wie möglich" oder "Die aerodynamischste Position ist die, die Du am längsten und effektivsten halten kannst." Und diese wiederum ist individuell unterschiedlich und hängt unter anderem auch von den Voraussetzungen des Fahrers ab: Mobilität und Körperstatik sind hier die Schlagworte.

Fazit

Aerodynamik ist kein Luxus für Profis, sondern entscheidend für alle, die schneller oder effizienter fahren wollen. Während viele Tausende Euro in leichtere Rahmen oder Carbonlaufräder investieren, liegt das größte Potenzial oft in der Körperhaltung, Kleidung und einem bewussten Umgang mit dem Wind.


Aero Fitting: Optimierung der Aero-Performance

Screenshot Remco Evenepoel beim Aero Fitting im virtuellen Windtunnel

Wir helfen Dir, Deinen Luftwiderstand auf dem Rad signifikant zu reduzieren und dadurch schneller zu fahren, ohne dass Du mehr Leistung treten musst. Der Schlüssel zum Erfolg ist die Reduktion des Luftwiderstands beim Radfahren.

Daher ist es für jeden Rad-Fahrer, aber insbesondere für Triathleten und Einzelzeitfahrer wichtig, sich aerodynamisch optimal auf dem Rad zu positionieren. Mit dem Aero Fitting kannst Du Deinen Windwiderstand um bis zu 20% reduzieren. Das sind die "Low-hanging-fruits" wie Du Deine Wettkampfergebnisse mit geringem Aufwand deutlich verbessern kannst.

Virtueller Windkanal bei einem Aero Fitting
Remco Evenepoel wird beim Bike Fitting auf seinem Zeitfahrrad vermessen

So funktioniert's

Wir bauen Dir Deinen persönlichen Windtunnel, indem wir ein Live-Feedback zu Deiner aerodynamischen Sitzposition auf Deinem Aero- oder Triathlon-Rad geben. Diese Position wird während des gesamten Aero Fittings aufgezeichnet. Die jeweilige Position kannst Du ab sofort auch bei TrainingPeaks berücksichtigen!

Querschnitt von vorn

Durch die Erfassung Deiner Querschnittsfläche von vorn wird berechnet, wieviel Leistung Du zur Aufrechterhaltung Deiner Zielgeschwindigkeit in der jeweiligen Positionierung aufbringen musst. Schon kleine Positionsveränderungen können aufgrund der Bedeutung des Luftwiderstands große Wattersparnis einbringen. Du erhältst während des Aero Fittings Live-Informationen über Geschwindigkeits- und Widerstandsveränderung durch Positionsveränderungen. Wir prüfen (und optimieren) dabei Parameter, wie die Cockpiteinstellung, Armauflagenbreite, Kopfposition und die die Gesamthaltung. Zum Abschluss erhältst Du einen anschaulichen Auswertungsbogen mit den wichtigsten Änderungen und Tipps zur Verbesserung deine Aeroposition.

RadfahrenTraining

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